Page 9 - MOHR Stadtillu - Ausgabe 247 (Juni 2024)
P. 9

AUSSTELLUNG IM RAHMEN DES SCHWARZEN MARKTES
  EVENT
   nIscher Hinsicht von hoher historischer Be- deutung für dIe Stadt Coburg. Dies wurde er- kannt und das ganze Umfeld mit der Ertüch- tigung der Pakethallen, der Renovierung der Kühlhallen und der Errichtung des Globe hat sich allein in den letzten 3 Jahren immens verändert.
Bereits 1858 eröffnete am heutigen Perso- nenbahnhof in der Lossaustraße eine Güter- verladestelle. Als in den 1890er Jahren diese ihre Kapazitätsgrenze erreichte, suchte die königlich-preußische Eisenbahn einen neu- en Standort und fand ihn im Coburger Sü- den. Gleich in der Nähe befanden sich be- deutende Betriebe wie das Hofbrauhaus, der Schlachthof oder die Städtischen Werke.
1903 öffnete der neue Güterbahnhof dort seine Pforten. Coburger Firmen und Fuhrun- ternehmen folgten nach und erbauten dort ihre Lagerhäuser und Depandancen. Die Bahn richtete zudem soziale Bereiche auf dem Gelände ein, wie ein Übernachtungsge- bäude für auswärtige Eisenbahner mit eige- nen Duschräumen oder eine Kantine.
Technisch befand sich der Güterbahnhof mit zwei Stellwerken, einem Wasserturm und Lo- komotivschuppen auf dem modernsten Stand. Neben der Bahn beteiligten sich auch Stadt und Land Coburg am Aufbau dieser Einrichtung. Das Herzogtum errichtete bei- spielsweise am Eingang zum Güterbahn-
Inflationszeit. Wertlose Banknoten werden in einer Altpapierpresse eingestampft
bpk / Kunstbibliothek, SMB Photothek Willy Römer /Willy Römer
hofsgelände ein Zollamt, das heute noch be- steht. Das Bahnareal selbst war zollfrei. Gear- beitet wurde im Zweischichtsystem Tag und Nacht, sehr zum Leidwe- sen der Bewohner des Coburger Südens, welche die ständigen Rangierarbeiten auch nachts lautstark mitbe- kamen. Gerade diese Arbeiten waren sehr gefährlich und konnten einen tödlichen Aus- gang haben. Während der Betriebszeit des Güterbahnhofs kamen insgesamt 8 Bahnar- beiter bei Arbeitsunfällen ums Leben.
In der Folge siedelten sich auf und um das Güterbahnhofsgelände Firmen an. Die beste- henden Betriebe wie der Schlachthof und die SÜC erhielten 1938 bzw. 1950 eigene An- schlussgleise. Der Güterbahnhof entwickelte sich dadurch immer mehr zu einer der Le- bensadern Coburgs. 1911 kamen hier 53.000 Tonnen Kohle für die Wärmeversor- gung der Stadt an. Es folgten Baustoffe und Lebensmittel. Die Umschlagszahlen stiegen und erreichten 1929 ihren Höhepunkt, als täglich 480 bis 500 Waggons den Güter- bahnhof anfuhren.
Das Areal musste ständig erweitert werden. Mit der letzten Vergrößerung 1939 umfasste das Güterbahnhofsgelände 8,6 Hektar.
Durch die deutsche Teilung ab 1945 und dem Strukturwandel im Verkehrswesen ver- lor das Areal trotz Modernisierungsmaßnah- men wie der Elektrifizierung des Strecken- netzes oder der Umwandlung zu einem Con- tainerumschlagplatz nach und nach an wirt- schaftlicher Bedeutung. Teilweise wurden nicht mehr benutzte Gebäude auch abgeris- sen. Im Zuge von Rationalisierungsmaßnah- men schloss die Deutsche Bahn AG 1997 die Anlage. Aus einer ökonomischen Innovation wurde schließlich ein Industriedenkmal.
Schon kurz nach Eröffnung des Güterbahn- hofs 1903 zog das Gelände diverse Firmen an, die dort investierten. Sie errichteten La-
gerhäuser und -plätze, die als Dependancen in Bahnhofsnähe dienten. Die Nachfrage nach ge- eigneten Lagerstätten stieg mit den Jahren. 1955 bestanden 30 Lagerhäuser und -plätze.
Brot für Arbeiter
Der 1906 gegründete Bezirkskonsumverein Coburg errichtete zwischen 1927 und 1930 am Südende des Sonntagsangers eine Groß- bäckerei mit Zentrallager. Die Vereinsmitglie- der aus dem Arbeitermilieu sollten dadurch mit billigen Lebensmitteln versorgt werden. Der Verein strebte nach einem eigenen An- schlussgleis und besaß am Güterbahnhof ein Lagerhaus. Im Dritten Reich wurde der Verein aufgelöst und seine Gebäude der Wehr- macht als Heeresbäckerei zur Verfügung ge- stellt.
Andere Firmen siedelten sich komplett auf dem Bahngelände an und bauten dort ihre Existenz auf.
Dies geschah branchenübergreifend. Als be- sonders attraktiv erwies sich das Areal ür Le- bensmittelgroßhändler und rohstoffverarbei- tende Unternehmen. Auch im Umfeld ließen sich neue Industriebetriebe nieder, etwa am südlichen Sonntagsanger oder an der Was- sergasse. Die Itz als natürliche Barriere hemmte jedoch weitere Ansiedlungen in Bahnhofsnähe.
© Stadtarchiv Coburg
© Stadtarchiv Coburg
Das erkannte die Stadt Coburg und forcierte bereits 1922 den Bau einer Brücke als Erwei- terung zur heutigen Karchestraße. Dadurch sollte das Gebiet südlich des Ketschenangers ebenfalls vom Bahnareal profitieren und für Investoren interessant werden. Doch die Bahn lehnte eine weitere Verkehrsanbin- dung ab. Es blieb bei der eingeschränkten Strahlkraft.Mite dem Bedeutungsverlust des Güterbahnhofs verschwand auch das Interes- se, sich in Bahn- hofsnähe niederzulassen oder eine Dependance zu gründen. Viele La- gerstätten wurden in den 1970er und 1990er Jahren abgerissen, so dass heute nur noch zehn Lagerhäuser und ein Lagerplatz existieren. Von den In- dustriebetrieben, die sich einst dort ansiedelten, besteht heute noch die Eisengroßhandlung Max Carl.
Made in Coburg
Die 1858 gegründete Coburger Hofbräu AG verfolgte von Anfang an das Ziel, ihr Bier in andere deutsche Staaten zu exportieren. In der Hochphase der Industrialisierung kam auch ein Kontakt in die USA zustande, so dass 1913 Bier im Wert von 124.028 US-Dollar ex- portiert wurde. Der Güterbahnhof war daher für die Vertriebspolitik der Hofbräu AG gera- dezu ideal. Mit der deutschen Teilung und dem Verlust eines Großteils des Absatzgebie- tes ging der Niedergang der Brauerei einher, die 1982 geschlossen wurde.
  © Stadtarchiv Coburg
   Ausgabe 247 9
 









































































   7   8   9   10   11