Page 89 - MOHR Stadtillu 249 - Oktober 2024
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IN LEERSTEHENDE WOHNUNGEN KANN OFT KEINER EINZIEHEN
  REPORT
  Verbandschefin des Baustoff-Fachhandel Katharina Metzger
zum Beispiel bei Klimaschutz-Auflagen – wann kommen. Es fehlt einfach die politische Verlässlichkeit. Ein Hin und Her wie beim Heizungsgesetz darf es nicht mehr geben“, kritisiert der Leiter des Pestel-Instituts. Außer- dem hapere es bei vielen auch am nötigen Geld für eine Sanierung.
Weitere Gründe, warum leerstehende Woh- nungen nicht vermietet werden: „Immer wieder kommt bei Erbstreitigkeiten kein Mietvertrag zustande. Und oft scheuen sich Hauseigentümer auch, sich einen Mieter ins eigene Haus zu holen, mit dem sie sich am Ende vielleicht nicht verstehen“, sagt Matthi- as Günther. Für ihn steht deshalb fest: „Am Neubau von Wohnungen führt daher auch in Coburg kein Weg vorbei.“
Das Pestel-Institut hat die Regional-Analyse zum Wohnungsmarkt im Auftrag des Bun- desverbandes Deutscher Baustoff-Fachhan- del (BDB) durchgeführt. Für dessen Präsiden- tin macht die Untersuchung eines deutlich: „Es ist eine Milchmädchenrechnung, die leerstehenden Wohnungen gegen den aktu- ellen Bedarf an Wohnungen gegenzurech- nen. Das funktioniert so nicht. Politiker, die das gerade versuchen, betreiben Augenwi- scherei“, sagt Katharina Metzger. Sie erteilt damit der Aufforderung von Klara Geywitz (SPD) eine klare Absage. Die Bundesbaumi- nisterin hatte zuletzt den Menschen, die eine Wohnung suchen, geraten, aufs Land zu zie- hen.
Für die Verbandschefin vom Baustoff-Fach- handel steht fest: „Der Wohnungsbau ist auch in Coburg das Bohren dicker Bretter.“ Um voranzukommen, fordert Metzger, die Baustandards zu senken: „Einfacher bauen – und damit günstiger bauen. Das geht, ohne dass der Wohnkomfort darunter leidet. An- dernfalls baut bald keiner mehr.“ Es müsse ein „starkes Abspecken“ bei Normen und
Auflagen geben – im Bund, bei den Ländern und Kommunen. Katharina Metzger warnt: „Am Ende stoppen überzogene Förderkriteri- en, Normen und Auflagen den Neubau von Wohnungen – von hoch geschraubten Klima- schutzmaßnahmen, ohne die es keine Förde- rung gibt, bis zu Stellplätzen, ohne die erst gar nicht gebaut werden darf.“
Scharfe Kritik richtet Metzger an den Bund: „Es passiert zu wenig. Und was jetzt passiert, kommt zu spät. Wer 400.000 Neubauwoh- nungen – darunter 100.000 neu gebaute So- zialwohnungen – im Wahlkampf verspricht und im Koalitionsvertrag festschreibt, der darf nicht erst ein Jahr vor der nächsten Bun- destagswahl wach werden.“ Ohne eine deut- lich stärkere staatliche Unterstützung wür- den weder der notwendige Neubau noch die Sanierungen von Wohnungen im erforderli- chen Umfang gelingen.
Außerdem kritisiert Metzger gemeinsam mit den Wissenschaftlern vom Pestel-Institut den geplanten Bundeshaushalt für 2025: Darin fehlten dringend notwendige Fördermittel für den Wohnungsneubau – allen voran für den sozialen Wohnungsbau. Der benötigt nach Berechnungen des Pestel-Instituts min- destens 12 Milliarden Euro pro Jahr von Bund und Ländern. Der Bund stelle für 2025 jedoch lediglich 3,5 Milliarden Euro bereit. Auch die Perspektive sei schlecht: Bis 2028 wolle die Bundesregierung Sozialwohnun- gen mit weniger als 22 Milliarden fördern. „Das reicht hinten und vorne nicht. Und es ist ein willkürlich gegriffener Zeitraum, um eine vermeintlich hohe Milliardensumme in den Raum zu stellen. Doch die Wahrheit dahinter ist: Der soziale Wohnungsbau wird bei dieser Bundesregierung auch weiter auf der Strecke bleiben. Das müssen die Menschen den hei- mischen Bundestagsabgeordneten in Co- burg jetzt klarmachen. Nur wenn es massi- ven Druck vor Ort gibt, werden diese und die
kommende Bundesregierung begreifen, wie ernst die Lage ist“, sagt Katharina Metzger.
Aktuell erlebe die Wohnungsbau-Branche „ei- nen regelrechten Absturz“. Viele Unternehmen hätten bereits Kapazitäten abbauen müssen. „Die Neubau-Zahlen gehen in den Keller. Mau- erstein-Hersteller zum Beispiel schließen Wer- ke. Die Entlassungswelle rollt: Der Bau verliert Beschäftigte – darunter gute Fachkräfte. Dabei ist das das Letzte, was sich Deutschland jetzt er- lauben darf“, so Katharina Metzger.
Die Verbandspräsidentin des Baustoff-Fachhan- dels warnt gemeinsam mit dem Pestel-Institut vor einer „Absturz-Spirale beim Wohnungsneu- bau“. Die Situation sei fatal: „Wohnungsnot trifft auf Nicht-Wohnungsbau. Diese toxische Ent- wicklung muss dringend gestoppt werden.“ Denn Wohnungsmangel schaffe soziale Span- nungen. „Wenn sich Menschen wochen- und monatelang um eine neue Wohnung küm- mern müssen, dann braut sich da etwas zusam- men. Das ist Gift für das soziale Miteinander in der Gesellschaft“, so Katharina Metzger.
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