…und ein generelles „Nein!“ zu allen Trassen, die nach dem Willen der Bundesnetzagentur die Landschaft in Franken durchschneiden sollen. Landrat Michael Busch ruft zur Einigkeit auf im Kampf gegen eine weitere Stromleitung – egal ob in Coburg, Lichtenfels, Kronach, Kulmbach, Forchheim, Bamberg, Schweinfurt, den Haßbergen, Thüringen oder in Hof.

Coburg – Ungeachtet aller Parteizugehörigkeit zogen die Bürgermeister der Stadt und des Landkreises Coburg zusammen mit Landrat Michael Busch (SPD) und Bundestagsabgeordneten Hans Michelbach (CSU) am 7. Oktober gemeinsam an einem Strick. Ziel war es, die von der Bundesnetzagentur und den Netzbetreibern im Netzentwicklungsplan 2030 vorgestellten Entwürfe zu den Stromtrassen P 44 und P 44 mod mit ihren Varianten zu verhindern. Mit rund 14.000 Protestunterschriften aus allen Städten und Landkreisgemeinden und der Stadt Coburg im Gepäck suchten die Politiker das Gespräch mit Ministerin Brigitte Zypries vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und ihrer Fachabteilung.

Kurz zuvor hatte der Kreistag ein Positionspapier des Landkreises Coburg formuliert und beschlossen. Zehn „unverrückbare Punkte“ sollten in Berlin deutlich machen, dass die Stadt und der Landkreis Coburg im nunmehr zweiten Konsultationsverfahren gegen die geplanten Stromtrassen kämpfen werden. Dabei will sich der Landrat auch nicht gegen andere Landkreise „ausspielen“ lassen. „Wenn sich die Landkreise untereinander uneins sind, laden wir die Bundesregierung quasi ein, auf unserem Gebiet zu planen“, erklärte er. Jetzt gälte es, zusammenzustehen und Einheit zu demonstrieren.  Das sieht auch der Klimaschutzbeauftragte des Landkreises, Christian Gunsenheimer (FW), so, der die Protestaktionen mit initiiert hat. „Wir müssen geschlossen gegenüber Berlin und München agieren“, sagt er, „sonst prädestiniert uns das in Zukunft für weitere Projekte.“

Bereits im Jahr 2015 gab es eine gemeinsame Stellungnahme aus der Politik zum weiteren Ausbau des Stromnetzes in Westoberfranken. In der Allianz vertreten waren vor zwei Jahren neben Landrat Michael Busch und dem Oberbürgermeister der Stadt Coburg, Norbert Tessmer, auch Andreas Starke, Oberbürgermeister der Stadt Bamberg, und die Landräte des Landkreises Lichtenfels, Christian Meißner, des Landkreises Bamberg, Johann Kalb und des Landkreises Forchheim, Hermann Ulm.

Eine weitere Resolution, die von Bürgermeistern und Landräten aus Lichtenfels, Kulmbach, Bamberg, Kronach, Hof und Forchheim auf Initiative der CSU-Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner am 13. September 2017 unterzeichnet wurden, ging Michael Busch allerdings nicht weit genug. „Wir müssen ein deutlicheres Signal setzen“, fordert er. „Wir, die verantwortlichen Politiker in Coburg Stadt und Land, zweifeln generell an der Notwendigkeit einer Trasse, in welcher Variation und durch welche Landkreise auch immer sie führt.“ Deswegen will Busch auch bei einem gemeinsamen Beschluss der Landkreise Haßberge und Schweinfurt Flagge zeigen – dort sind die Bürger von der Stromtrasse P 43 betroffen, die ebenfalls als mögliche Variante im Netzentwicklungsplan vermerkt ist. „Die Situation ist dort eine ganz ähnliche wie bei uns“, erläutert er. Eine weitere Resolution holt die Kulmbacher, Hofer und Kronacher Kollegen dazu. „Damit haben wir eine Allianz, eine geschlossene Phalanx“, sagt Busch, „auch wenn sie nicht auf einem Papier verankert ist.“

Die erforderlichen Finanzmittel sind im aktuellen Haushaltsplan des Kreises im Kampf gegen die Stromtrassen vorgesehen. „Damit haben wir den Sternmarsch im August, die Protestflyer, diverse Aufklärungsveranstaltungen und die Berlinfahrt finanziert“, erläutert Michael Busch.

Die Zweifel an der Notwendigkeit der Trasse erläutert Gunsenheimer im Detail. „Die Summe aller bayerischen Kernkraftwerke, die abgeschaltet werden, liegt bei fünf Gigawatt. Die neu gebaute Thüringer Strombrücke, die unter anderem durch Rödentaler und Dörfles-Esbacher Gemeindegebiet verläuft, hat ebenfalls eine Leistung von fünf Gigawatt. Die neue Leitung kann also den kompletten Wegfall der bayerischen Kernkraftwerke kompensieren.“

Wozu braucht es dann eine zweite Leitung? „Meines Erachtens sind diese Trassen für den Export in Nachbarländer gedacht“, sagt Gunsenheimer und schaut auf seine Strom-App auf dem Laptop. Dort wird genau aufgeführt, welchen Ländern Deutschland Strom liefert. Darunter sind die Schweiz mit rund 2,4 Gigawatt und auch Österreich. Und welcher Strom wird produziert? Nicht etwa erneuerbare Energien, deren Ausbau das erklärte Ziel der Bundesregierung ist, sind auf dem Schirm zu finden. Vorhandene Erdgaskraftwerke könnten für 30 Gigawatt produzieren, erläutert Gunsenheimer, die Produktion ist aber deutlich niedriger. „Aktuell produzieren die lediglich 5 Gigawatt.“ Gaskraftwerke seien deutlich effizienter und hätten einen extrem niedrigeren CO2-Ausstoß als die zurzeit heftig umstrittenen - und in der internationalen Kritik liegenden – Braunkohlekraftwerke, deren Anteil an der Stromproduktion deutlich höher liegt. Bei geringer Nachfrage nach Strom könnten die Erträge aus Braunkohlekraftwerken jedoch nur in eng begrenztem Rahmen gedrosselt werden. Bei Wind und Solar sei eine Drosselung viel einfacher. Ein weiterer Punkt: Braunkohlestrom ist aufgrund versteckter Subventionstatbestände billig zu erzeugen. „Wir hegen den Verdacht, dass die Netzbetreiber die zusätzlichen Leitungen lediglich benötigen, um den Braunkohlestrom aus Ostdeutschland zu vermarkten“, sagt er.

 „Die schiere Notwendigkeit der Trassen, der Nachweis darüber, dass Bayern den Strom braucht, konnte uns bisher nicht bestätigt werden“, sagen sowohl Busch als auch Gunsenheimer. Bisher habe die Bundesregierung zur Energiewende kein schlüssiges Konzept vorgelegt, kritisiert der Klimaschutzbeauftragte. „Der Bau neuer Hochspannungsleitungen ist auf sechzig Jahre angelegt. Was passiert damit, wenn die Regierung den Ausstieg aus dem Kohlestrom dann schließlich und endlich doch beschließt?“
Gunsenheimer erläutert den groben Trassenverlauf der P 44 und der P 44 mod. „Die Variante der P44 durch den westlichen Landkreis könnte über Gebiete der Kommunen Rödental, Dörfles-Esbach, Lautertal, Meeder, Bad Rodach, auch der Stadt Coburg mit Bertelsdorf, Neuses und dem Goldbergsee, Weitramsdorf, Ahorn und Seßlach führen, während die Trassenführung der P44 mod den östlichen Landkreis mit Coburg, Dörfles-Esbach, Rödental, eventuell Grub am Forst, Ebersdorf, Sonnefeld und Weidhausen betrifft“, sagt er. Natürlich würden nicht zwingend alle Städte und Gemeinden dann auch wirklich betroffen sein, erklärt er. „In unserem Protestflyer haben wir die mögliche Trasse als breiten Korridor angelegt“, sagt Michael Busch dazu. Denn die genaue Trassenführung weigert man sich, laut Klimaschutzbeauftragtem, bekannt zu geben.
 „Der Flächenverbrauch, der Eingriff in die Land- und Forstwirtschaft unter anderem im Callenberger Forst wird enorm sein“, prognostiziert Christian Gunsenheimer. „Wir reden hier von 80 Meter breiten Schneisen…, wir reden vom Naherholungsgebiet Goldbergsee und dem Vogelschutzgebiet Glender Wiesen.“ Auch Birgit Weber, die 2. Bürgermeisterin und Baureferentin der Stadt Coburg, machte ihre Haltung zur geplanten Stromtrasse gegenüber Ministerin Zypries in Berlin deutlich: „Mit ICE, A 73 und der Thüringer Strombrücke hat das Coburger Land seinen Teil beigetragen.“ Noch mehr könne und wolle die Region nicht leisten -  das Stichwort heißt „Überbündelung“. „Und wie“, sagt Busch, könne man dem Bürger begreiflich machen, dass die Anstrengungen um das „Grüne Band“ als Naturschutzgebiet mit dem Bau einer zweiten Trasse quasi „konterkariert“ würden. „Die erste Trasse führt da ja auch schon durch.“ Oder die Anstrengungen als Tourismusregion?

Und damit sind wir wieder bei den „zehn unverrückbaren Positionen des Landkreises“: „Das gesamte Coburger Land hat durch zahlreiche Netz- und Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen bereits einen erheblichen Beitrag zur innerdeutschen Verknüpfung und Gestaltung der Energiewende geleistet“, heißt es da. Weitere Stromtrassen seien unzumutbar und würden nicht akzeptiert.

Kritisiert werden auch die Planungen der Netzbetreiber und das Konsultationsverfahren, eine Art Einspruchsverfahren bei der Bundesnetzagentur, das als fortlaufender Prozess konzipiert ist und, laut Michael Busch, lediglich im Internet zu finden sei – wenn man denn gezielt danach suche. Für den Bürger sei das nicht transparent, findet er. „Seit 2011 gibt es fünf, sechs verschiedene Varianten des Bundesnetzentwicklungsplans mit je 840 Seiten“, moniert auch Gunsenheimer, „Uns betreffen zwar nur 240 Seiten, die müssen alle gelesen und auf Änderungen verglichen werden. Wie soll das ein normaler Bürger abarbeiten können? Wir prangern dieses Verfahren an.“ Im Januar steht ein weiteres Konsultationsverfahren an. „Wir müssen uns immer wieder zu Wort melden“, sagt der Landrat. Aber: „Es ist nicht leicht, die Bürgerinnen und Bürger immer wieder mitzunehmen auf diesen Weg des Einspruches.“

Für Busch und Gunsenheimer ist eines jedoch klar und da sind sich beide einig mit Bundestagsabgeordnetem Hans Michelbach, der sich bereits in Berlin ähnlich zur „Selbstbedienungspolitik“ der Netzbetreiber äußerte: „Wir kritisieren, dass die späteren Betreiber, die die Stromleitungen kommerziell nutzen werden, die Trassenplanung übernommen haben und die Bundesnetzagentur lediglich zustimmt. Das ist der Haken am System. Da muss das Bundeswirtschaftsministerium steuernd eingreifen und in die Pflicht genommen werden.“

Von Katja Nauer, Fotos: Katja Nauer; Trassenführung: Netzentwicklungsplan 2030; Protestflyer: Stadt Coburg und Landratsamt Coburg