Sie verschenkte Coburg und sicherte sich damit geschickt ihren weiteren Lebensunterhalt. Aber wer war die Polenkönigin Richeza, die im Jahre 1063 in Saalfeld verstarb? Kostümführerin Birgit Haugwitz weiß bestens Bescheid.
„Mein Vater gewann meine Mutter beim Glücksspiel“, erzählt Birgit Haugwitz, „die Heirat meiner Mutter galt deshalb als nicht standesgemäß.“ Haugwitz ist Kostümführerin und schlüpft regelmäßig für interessierte Touristen in die Rolle der Polenkönigin Richeza, die vor rund 1000 Jahren lebte. Über ihr spannendes Leben, das mit dem Coburgs verknüpft ist, erzählt die Expertin in der „Ich“-Form. „Ein genaues Geburtsdatum ist nicht überliefert“, weiß die Coburgerin, „man weiß aber, dass ich im Jahr 1063 in Saalfeld gestorben bin.“
Beim Glückspiel gewonnen
Richeza ist die Urenkelin Kaiser Ottos I und Enkelin Kaiser Ottos II gewesen, erzählt sie. „Otto der I war der Gründer des Heiligen Römischen Reiches.“ Sein Enkel Otto III, der Nachfolger von Otto II, liebte das Glücksspiel: „Er war ein leidenschaftlicher Brettspieler. Mit Ehrenfried, genannt Ezzo, Pfalzgraf von Lothringen, wettete er einst um den dreimaligen Sieg in einem Spiel. Der Gewinner dürfe sich das Beste wünschen, was immer es auch wäre.“ Ezzo ging als Sieger hervor und verlangte ganz frech Ottos Schwester Mathilde zur Frau. „Natürlich gab es viel Gerede um die Heirat“, informiert die Kostümführerin, „trotzdem war die Ehe wohl glücklich. Immerhin hatten meine Eltern zehn Kinder.“
Otto III zeigte sich großzügig: Als Hochzeitsgeschenk bekam das junge Paar Güter geschenkt. Neben Salz bei Neustadt an der Saale und Orlagau in Thüringen erhielten die beiden auch Coburg. Zusätzlich empfing Mathilde als sogenannte Morgengabe den Besitz Brauweiler bei Köln. „Die Morgengabe nannte sich dos. Sie diente dazu, den Lebensunterhalt der Ehefrau zu sichern, falls ihrem Mann etwas zustößt“, weiß Birgit Haugwitz. „Ezzo überreichte Mathilde ihr dos symbolisch auf einem Stück Rasen mit einem hineingesteckten Maulbeerzweig.“ Nach einem Traum gründete Mathilde dort das berühmte Kloster Brauweiler, eine Benediktinerabtei. „Und ein Mönch hat die Gründungsgeschichte des Klosters aufgeschrieben. Leider ist nur eine Abschrift erhalten. Trotzdem ist vieles, auch das Schicksal Coburgs, schriftlich überliefert.“
Richezas Heirat
Richeza heiratete im Jahr 1013 den polnischen Prinzen Mieszko. „Otto III suchte stets eine freundschaftliche Annäherung zu Polen“, so Haugwitz, „er war ein starker Verfechter gegen das Heidentum und für die Bekehrung zum Christentum.“ Als er zu einer Wallfahrt zum Grab des Heiligen Adalbert nach Polen reist, trifft er den polnischen Piastenfürsten Bolesław Chrobry, den zukünftigen Schwiegervater Richezas. „Die Heirat wurde wohl schon im Jahr 1000 zur Festigung der Beziehungen arrangiert“, erklärt Haugwitz. Doch kurz nach der Vereinbarung stirbt Otto III mit nur 21 Jahren. „Sein Nachfolger Heinrich II, der Gründer des Bistums Bambergs, hatte wohl ganz andere Pläne. Mit den Ottonen war er heillos zerstritten.“ Heinrich II lag mit Polen im Krieg und behielt bis zur Versöhnung auch die ottonischen Güter, darunter jene, die Mathilde und Ezzo bei ihrer Hochzeit als Mitgift erhielten.
Im Jahr 1013 schließlich erschien Mieszko mit seinem Vater bei Heinrich II persönlich und bat um die Hand von Richeza. „Er kam mit reichen Geschenken. Angeblich war sogar ein Elefant dabei“, informiert die Coburgerin. Zudem habe er Heinrich II ewige Treue geschworen. „Damit diente meine Verlobung und Heirat der Anbahnung eines endgültigen Friedens mit Polen.“ Nach dem Friedensschluss von Merseburg heiratete Richeza ihren Mieszko an Pfingsten in Merseburg. „Meine Ehe war quasi ein Akt mittelalterlicher Entspannungspolitik. Und mein Schwiegervater wurde erster König von Polen.“
Nach dem Tod des Schwiegervaters folgt Mieszko dem Vater auf den Thron. Richeza wird Königin. Sie erhält die Güter ihrer Eltern, darunter auch Coburg. „Meine Geschwister schlugen fast durchweg eine geistige Laufbahn ein. Ich wurde als einzige verheiratet, meine sechs Schwestern wurden Äbtissinnen und bis auf einen strebten auch meine Brüder kirchliche Ämter an.“
Richeza bekommt zwei Töchter und einen Sohn und lässt ihnen eine hohe Bildung angedeihen. „Mein Leben war ziemlich turbulent“, sagt die Kostümführerin, „mein Schwager hatte in Polen einen Aufstand angezettelt, weil er sein Anrecht auf den Thron durchsetzen wollte und wir mussten aus dem Land fliehen.“ Heinrich II stirbt und Kaiser Konrad II erklimmt den Thron. Richeza lebt zeitweise in Saalfeld und gibt schließlich alle Ansprüche auf den polnischen Thron auf. „Ich durfte allerdings meine Privilegien behalten und auch alle Urkunden weiter mit meinem königlichen Siegel unterzeichnen. Im Grabungsmuseum in Coburg ist dieses Siegel ausgestellt“, informiert Birgit Haugwitz. Nachdem der Schwager aufgrund seiner tyrannischen Herrschaft ermordet wurde, kehrt Richeza zurück nach Polen. Als ihr Mann stirbt, kehrt sie Polen erneut den Rücken und kommt nach Deutschland zurück. „Ihr Sohn Kasimir blieb in Polen und ging als Kasimir der Erneuerer in die Geschichte ein.“
Richeza „verschenkt“ Coburg
„Man muss sich den Glauben von damals vergegenwärtigen“, erklärt die Gästeführerin, „die Angst vor dem Fegefeuer war allgegenwärtig. Den ottonischen Frauen oblag es, für das Seelenheil ihrer Ahnen zu sorgen. Man gab Stiftungen und errichtete der Kirche Gebäude.“ Richeza stiftete ihrem Hauskloster in Brauweiler eine Kirche, im Jahr 1056 schenkte sie Brauweiler ihr Besitztum Klotten an der Mosel. Der Erzbischof von Köln, Anno II, der Nachfolger ihres Bruders Hermann, fordert ebenfalls Güter von Richeza ein: „Ihm vermachte ich im Jahr 1056 schließlich meine Güter um Coburg und Saalfeld.“ Beim Verhandeln geht Richeza sehr geschickt vor: „Ich forderte ein lebenslanges Nießbrauchsrecht, erbat mir zudem Einkünfte von fünf Orten rund um Köln und zusätzliche 100 Pfund jährlich.“ Der Erzbischof, mit dem sie sich nicht gut verstand, habe sich später sehr beschwert: „Das sei wohl eher ein Kauf gewesen“, soll er gesagt haben.“
„Da kam das erste Mal Coburg ins Spiel“, informiert Birgit Haugwitz. „Natürlich hat die Stadt mit dem Namen um diese Zeit herum noch nicht existiert. Man muss sich Coburg vorstellen als ein Gut oben auf dem Berg mit Besitzungen rundherum.“ Am Fuß der Burg gab es die Siedlung Trufalistat, Crudelitz (Creidlitz), Kezendorf (Ketschendorf), Vullebach (Niederfüllbach), Sithmarsdorff (Seidmannsdorf) und Kurtindorff (Cortendorf). „Diese wurden namentlich erwähnt. Die Schenkung wurde mit einem großen Festakt gefeiert, bei dem auch der Kaiser anwesend war.“
Als Richezas Bruder Otto im Jahr 1047 stirbt, nimmt sie den Schleier und gelobt, fortan ein frommes Leben zu führen. „Ich habe den königlichen Schmuck abgelegt und geschworen, mich künftig wohltätigen Zwecken zu widmen.“ Auf Bildern sei sie fortan mit einem Strahlenkranz abgebildet worden. „Zudem hat mich die Kirche selig gesprochen.“ Nach Richezas Tod im Jahr 1063 in Saalfeld sollte sie wunschgemäß im Kloster Brauweiler bestattet werden. „Anno II war jedoch so dreist, nahm meinen Leichnam an sich und begrub mich in einer Kirche unweit des Kölner Doms.“ Dann kam sie in den Kölner Dom, wo sie auch heute noch liegt. Insgesamt fünfmal sei der Sarkophag geöffnet worden, unter anderem im Jahr 1633 von einem Historiker. „Im Jahr 1959 wurde mir ein Atlaswirbel entnommen und nach Brauweiler geschickt, 1975 erhielt eine Benediktinerabtei in Polen eine kleine Rippe, im Jahr 2001 kam eine Reliquie in mein ehemaliges Besitztum nach Klotten an der Mosel.“
Die Gästeführerin weiß um die Bedeutung Richezas, die im Kölner Raum von der Bevölkerung verehrt wurde: „Früher diente meine Heirat der Verständigung zwischen Polen und Deutschland, heute dienen meine Knochen als völkerverbindendes Symbol zwischen Ost und West.“
Wer mit der Königin Richeza alias Birgit Haugwitz den Gang durch die Stadt antritt, wird hauptsächlich durch das alte und das kirchliche Coburg geführt. „Mein Schwerpunkt liegt auf der alten Zeit mit Morizkirche und Grabungsmuseum und dem Kirchenraum außen herum, auch die ehemalige Vogtei in der Neugasse gehört dazu“, erläutert sie. Gegenüber dem Casimirianum gibt es beispielweise ein Beginenhaus, das sich in Privatbesitz befindet. „Beginen waren Frauen ohne Besitz, die in dieser Gemeinschaft zum Wohle aller gewirkt haben und sich damit ihren Unterhalt sichern konnten. Auch vom Rixa-Pfennig erzählt die Coburgerin. „Das sind Münzen, die Richeza als Zeichen ihrer Regentschaft prägen ließ.“ Diese können noch in Saalfeld besichtigt werden. Im Jahr 1071 gründete Anno II in Saalfeld eine Benediktinerabtei und ließ auf dem Coburger Festungsberg eine Außenstelle errichten. „Im Jahr 1075 gab es eine Kirche mit dem Namen „Sankt Peter und Paul“ und einem Vogt mit Namen Gerhard auf dem Festungsberg mons Coburg. Mitte des 13. Jahrhunderts wurde der Sitz der Probstei zur Morizkirche verlegt“, informiert Haugwitz.
Richeza sei eine kleine, zierliche Person gewesen, erzählt die Stadtführerin. „Aber sie hatte dermaßen Power – hätte sie Coburg nicht verschenkt, wäre auf dem Festungsberg sicherlich keine Benediktinerabtei entstanden.“
Text und Fotos von Katja Nauer