Page 52 - MOHR Stadtillu - Ausgabe 250
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 FOTOREPORTAGE AUS DER UKRAINE
    Im Bunker an der Front: Hier suchen die Soldaten Zuflucht bei Beschuss Ein Panzerhaubitze hat einen Schuss in Richtung des und Übernachten während ihrer Schichten. völlig zerstörten Wowtschansk abgegeben.
 DER HAMSTER TANZT IM BUNKER
CHARKIW LIEGT NAHE AN DER GRENZE ZU RUSSLAND. DIE INVASOREN TERRORISIEREN DIE MENSCHEN MIT GLEITBOMBEN, RAKETEN UND DROHNEN. ZUM LERNEN MÜSSEN DIE KINDER IN DEN UNTERGRUND DER STADT.
wegen findet der Unterricht in Charkiw online oder unterirdisch statt. Weil es nicht genügend sichere Bunker-Klassenzimmer gibt, kann Anna nur zwei- bis dreimal in der Woche ins unterirdi- sche Klassenzimmer. Dabei entstanden bereits sechs Schulen in Metro-Stationen, alte Bunke- ranlagen aus Stalins Zeiten wurden umgebaut.
Unterstützung kommt auch aus Deutschland. Darauf weist eine Sprecherin der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) hin: „In Charkiw hat die GIZ das städtische Gymnasium mit Möbeln und digitalen Lernmitteln wie Com- puter ausgestattet. 1.000 Kinder profitieren davon seit dem Schulstart im September 2024. Bis Dezember 2024 erhalten in Charkiw vier wei- tere Schulen Mobiliar und Computer sowie -zu- behör. Diese Kosten für diese fünf Schulen in Charkiw kalkuliert die GIZ mit knapp 80.000 Euro.“
Das Klassenzimmer von Anna ist langgezogen, die Räume ziehen sich wie ein Schlauch. Eine Wand mit viel Glas trennt sie vom Gang. Ein
Charkiw Der Hamster macht mächtig Tempo. Boing, boing, boing. Das Zeichentrick-Tier springt in die Luft, rudert mit den Armen, wackelt heftig mit den Hüften. Anna macht das gleiche. Boing, boing, boing. Ihre Augen strahlen. In der Pause tanzt der Hamster über den Flachbild- schirm. Die Kinder im Klassenzimmer können es ihm gleichtun. Oder in es sich in der Spielecke gemütlich machen. Wer es ruhiger mag, bleibt einfach am Platz sitzen.
Anna ist ein Wirbelwind und braucht Bewe- gung. Ihr Haare sind zum Pferdeschwanz gebun- den und fliegen hinter ihrem Rücken hin und her. Das Mädchen trägt wie viele der Kinder im Raum eine Wyschywanka als Bluse. Zur bestick- ten Nationaltracht der Ukraine hat sie eine blaue Jeans an. Patriotismus ist in Kriegszeiten klar Eh- rensache. Vor allem, wenn der mächtige Nach- bar die eigene Kultur zerstören will. Die Landes-
farben Blau-Gelb findet man daher oft im Klas- senzimmer. Motive, die für die Ukraine stehen. Leuchtende Sonnenblumen vor blauem Him- mel zum Beispiel.
Das Klassenzimmer liegt tief unter der Erde in einer U-Bahnstation. Eine kleine Schule mit sie- ben Klassenzimmern, einem Versammlungs- raum sowie einem Behandlungszimmer für eine Psychologin und zwei Krankenschwestern. Der Hamster auf dem Bildschirm tanzt gerade in einem Bunker.
„Ich finde es schön hier“, sagt die Siebenjährige. Jedes Klassenzimmer ist für 30 Kinder ausge- legt. In ganz Charkiw wird nicht mehr oberir- disch unterrichtet. Zu viele Angriffe aus der Luft hat es schon seit Beginn der Invasion gegeben. Sie kommen aus Russland, das keine 40 Kilome- ter Luftlinie entfernt liegt. Dort starten ungestört
die Düsenjäger, klinken ihre Gleitbomben aus, die Tod und Zerstörung in Charkiw anrichten. Be- reits große Teile der Energie-Infrastruktur zerstört haben. Raketen-Systeme wie Taurus könnten die Abflugbasen zerstören. Das hätte Folgen, denn die Reichweite von Gleitbomben sind begrenzt. Keine Gleitbomben mehr, das würde viel für die Sicherheit der Menschen von Charkiw bringen. Doch auf Angriffe mit westlichen Raketen auf die Abschussbasen in Russland hoffen alle in der Großstadt vergebens. Das untersagen die Part- ner aus dem Westen für die gelieferten Waffen- systeme. Oder sie liefern sie erst gar nicht, wie Deutschland mit seinem Taurus-System.
Gleitbomben können von den Maschinenge- wehren und Flakgeschützen der Flugabwehr praktisch nicht getroffen werden: Sie sind zu schnell. Durch die Nähe zu Russland ist auch die Vorwarnzeit für Raketen und Drohnen kurz. Des-
  Das Gesicht des Soldaten Sergej berichtet viel von den Härten des Kriegs.
Zerstörung nahe Wowtschansk. Die Stadt selber ist nur noch ein Trümmerfeld.
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- STADTILLU FÜR COBURG, LICHTENFELS & KRONACH

















































































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