Das Themenspecial in unserer Ausgabe 229

Viele bekommen beim Betreten eines Altersheimes weiche Knie. Ängste um die persönliche Zukunft melden sich, verbunden mit Erinnerungen an die Alten in der eigenen Familie und Fragen um das Ende des eigenen Lebens. Jeder ist gleich betroffen. Wir sind endlich und wir werden alt – wenn wir Glück haben.

Hinter das Wort Glück schiebt sich schnell ein Fragezeichen, sieht man im Altersheim die Gemeinschaftsräume mit Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spielen und umherliegenden bereits ausgefüllten Sudoku-Heften. Dass dieses ein Zuhause auf Zeit ist, ist unübersehbar. Alles ist praktisch, alles abwaschbar, alles kann morgen schon für den nächsten Menschen bereitgestellt werden. Der Gepflegte ist oftmals mehr Gast als Bewohner.

Der Wunsch wird drängend, in den eigenen vier Wänden die letzten Jahre zu genießen. Geht das? Reicht die Rente für die Miete? Die frisst jetzt schon zu viel vom Einkommen. Wohin dann aber?

Ein Teufelskreis aus Fragen, die zu weiteren führen, beginnt. Alter und Pflege sind Themen, die für viele Menschen mit Sorgen, sogar mit Not verbunden sind. An allen Ecken nur Probleme, die von Politikern und Behörden vielleicht wahrgenommen, aber nicht ausreichend bekämpft werden. Wer heute schon pflegt, kann ein Lied davon singen.

Was ist etwa mit der Flexibilität, die von jedem Erwerbsfähigen erwartet wird, und der gleichzeitigen Rolle als Tochter oder Sohn? Mutter oder Vater zu pflegen heißt  immer Sorge, dass alles in Ordnung ist, wenn der Angehörige allein ist. Ein innerer Kampf, der erschöpft.


Wer bereit ist, beruflich kürzer zu treten, erhält nur wenig Hilfe vom Staat. Zehn Tage Pflegeunterstützungsgeld oder sechs Monate Pflegezeit sind nicht ausreichend. Wer länger pflegt, kann ein zinsloses Darlehen beantragen. Geber ist das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben.

Wer die Pflege seiner Liebsten nicht in fremde Hände gibt, kann sich beim Staat einen Kredit beantragen um Miete und Lebensunterhalt zu zahlen.

Menschen, die pflegen, sind zu bewundern. Sie müssen so stark sein. Wie schwer ist es, Mutter, Vater, Lebenspartnerin oder Lebenspartner leiden zu sehen, verfallen zu sehen, sterben zu sehen. Was braucht es an innerer Verfassung, jeden Tag neu, den geliebten Menschen zu waschen, zu füttern, mit ihm zu reden, auch wenn vielleicht seit Jahren keine Reaktion kommt? Pflegende von Demenzkranken berichten von inneren Zerreißproben, die einem „die Hölle auf Erden“ bringen.

Und wie wird es erst in Zukunft aussehen? In einer Gesellschaft, in der die Selbstverwirklichung als Lebensziel die Fürsorge für andere längst überholt hat, fragt sich, wie es in 20 oder 30 Jahren um die Gruppe der pflegenden Angehörigen bestellt sein wird. Helfen die Kinder von heute ihren Eltern noch? Und was wird aus den Alleinstehenden, die oft auch kinderlos sind? Auf Neffen oder Nichten dürfen sie kaum hoffen.
Pflegenotstand oder schon Pflegekatastrophe?

Masterplan sieht bis zu 100.000 Stellen innerhalb von vier Jahren vor

Ob das schon reicht, ist zumindest fraglich. Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) hat einen Masterplan Pflege vorgestellt. Darin kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss: Die Vergütungen für Pflegepersonal müssten um bis zu 30 Prozent angehoben werden, um dem Personalnotstand zu begegnen. In den kommenden vier Jahren würden bis zu 100.000 zusätzliche Pflegestellen in Krankenhäusern, Altenheimen und ambulanten Diensten benötigt. Auch hier zeigt sich, wie das Problem verschlafen wurde. Schon 2013 fehlten bundesweit 70.000 Pfleger.

Der Zerfall der Familien lässt die Aufgaben für den Staat noch größer werden. Zurzeit sind die pflegenden Angehörigen die größte Gruppe der Pflegenden. Diese Säule könnte wegbrechen. Der Pflegenotstand könnte sich – vor allem angesichts der Überalterung der Bevölkerung – zur Pflegekatastrophe ausweiten.

Und schon befinden wir uns wieder in dem Teufelskreis aus trüben Gedanken, der den Gang zum Altersheim so schwer macht. Nur der Mut, sich mit dem Thema zu konfrontieren, schafft einen Ausweg. Dann verschwinden die Fragezeichen, so gut es geht. In der Vorsorgevollmacht können nahestehende Personen bestimmt werden, denen im Notfall wichtige Entscheidungen übertragen werden. Das können auch gute Freunde sein. In der Patientenvollmacht werden medizinische Fragen geregelt. Private finanzielle Vorsorge ist – in dem Maße, wie irgendwie möglich – ebenfalls ein Standbein, das heutzutage zwingend ist. Das Alter ist unausweichlich. Seine Selbstbestimmtheit zu wahren, ist der einzige Weg, es in Würde auf sich zukommen zu lassen.

Mohr veröffentlicht auf den folgenden Seiten ein facettenreiches Themen-Special. Es tut sich etwas, dass steht fest.

Über die Entstehung weiterer Pflegeplätze und Möglichkeiten im Alter in Coburg und der Region zu wohnen. Ein Interview mit der Bayerischen Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml zum neuen Landespflegegeld. Der Einweihung des neuen Hospitz in Coburg und der Möglichkeit sein Haus zu verkaufen, aber trotzdem im Alter darin wohnen zu bleiben.  Schon vor Jahren hat Coburg eine Pflege-Charta auf den Weg gebracht, den sich viele Institutionen in Coburg verbunden fühlen.

Menschen die in der Pflege arbeiten oder arbeiten wollen, werden händeringend gesucht natürlich auch in Coburg und Kronach.

30 Seiten rund um das Thema Pflege 2018 finden Sie in unserer Ausgabe 229 ab seite 76