Wo kaputte Dinge wieder repariert werden
Ressourcen schonen und Müll vermeiden – das will Frank Eisenwiener vom Coburger Repaircafé. Er und seine Mitstreiter haben alle Hände voll zu tun.
„Schon als kleiner Junge war nichts vor mir sicher“, schmunzelt Frank Eisenwiener, „lange haben Geräte bei mir nicht ungeöffnet überlebt.“ Schon in der Kindheit war der heute 51-Jährige technikbegeistert. Klingeln, Radio oder Wecker, quasi alle Geräte, die irgendwie mechanisch oder auch elektrisch funktionierten, seien von ihm genauestens unter die Lupe genommen worden, erklärt er. Was also lag näher als die Passion zum Beruf zu machen? „Ich habe eine Ausbildung als Kommunikationselektroniker gemacht, Fachrichtung Fernmeldetechnik“, sagt der gebürtige Coburger. Er wartet Telefone, Alarm- und Meldeanlagen wie es sie beispielsweise in Krankenhäusern gibt. Nebenbei leistet er für Bekannte, Verwandte und Freunde das, was das von ihm vor zwei Jahren ins Leben gerufene Repaircafé nun abdeckt: Reparaturen von kaputten Dingen. „Es ging mir gegen den Strich, Sachen, die reparabel sind, einfach wegzuwerfen“, erklärt er. Selbst wenn manche der Geräte problemlos ersetzt werden könnten, weil sie im Discounter nur wenige Euro kosten. „Eigentlich rentiert sich die Reparatur da nicht“, sagt er, „aber mir geht es um Schonung von Rohstoffen und Abfallvermeidung.“
Und schon sind wir beim Stichwort „Nachhaltigkeit“. „Im Jahr 2002 hat es in Deutschland mit kleinen Reparaturinitiativen begonnen“, weiß der Experte. Seit 2009 gab es überall im Land, vornehmlich in großen Städten, Repaircafés. „In manchen von ihnen werden auch Möbelstücke in Ordnung gebracht oder Kleidung geflickt beispielsweise wenn der Reißverschluss kaputt ist.“
Das Repaircafé in Coburg, das sich im AWO-Mehrgenerationenhaus am Bürglaß fest etabliert hat, hat sich auf Elektronik und Technik spezialisiert. Ehrenamtliche Helfer aus verschiedenen Techniksparten stehen Frank Eisenwiener mit Rat und Tat zur Seite. Jeder der vier, fünf Ehrenamtlichen habe so sein Spezialgebiet, sagt der Fachmann. Er versteht den Treff als „Hilfe zur Selbsthilfe“. Ab und an würde das falsch verstanden, sagt er, denn einfach das kaputte Gerät abgegeben und in zwei Stunden wiederkommen, sei nicht der Sinn der Sache.
Im Repaircafé darf und soll der Kunde ruhig auch mit anpacken, wenn die Reparatur nicht gerade technisch sehr kompliziert ist. Außerdem hat das Café ja auch kommunikativen Charakter: An einem Tisch sitzen gerade zwei Männer und fachsimpeln über Technik. Kaffee und Kuchen gibt es auch. Und außerdem ein Sparschwein auf dem Büffettisch. „Wir reparieren ja kostenlos“, sagt Eisenwiener, „und wenn es geglückt ist, darf der Kunde gerne etwas spenden.“
Jeden letzten Samstag im Monat öffnet das Repaircafé seine Türen für bis zu sechzehn Kunden. Anfangs wollte Eisenwiener und Frau Thomack vom AWO Mehrgenerationenhaus die Einrichtung alle halbe Jahre anbieten – mit Schwerpunkt auf Fahrrädern im Sommer. „Aufgrund der vielen Rückmeldungen, die wir erhalten haben, hat sich aber schnell herauskristallisiert, dass wir das öfters machen müssen.“
Eisenwiener und seine Mitstreiter arbeiten nach Voranmeldung. So können sie sich auf die Reparatur vorbereiten, eventuell auch schon einmal im Internet recherchieren und ihr persönliches Werkzeug zusammenstellen, das ihrer Meinung nach für die Reparaturarbeiten benötigt wird. Ein Zeitplan hilft, lange Wartezeiten zu vermeiden. Aber trotzdem muss ein Kunde natürlich auch etwas Geduld mitbringen. Nicht jede Reparatur ist schnell erledigt, und bei manchen Geräten ist auch nichts mehr zu machen. „Ab und zu haben wir auch Anfragen, die unsere technischen Möglichkeiten hier vor Ort übersteigen“, erklärt Eisenwiener. Ein Beispiel? „Einem Kunden mit einem defekten Bordcomputer konnte ich bei mir zu Hause helfen.“ Dort hat Eisenwiener eine Werkstatt mit noch mehr Werkzeug und außerdem auch drei 3D-Drucker, mit denen er sein zu Hause „aufmöbelt“.
Auch einer älteren Kundin konnte im Repaircafé geholfen werden. „Sie kam vor rund einem Jahr mit einer uralten Mulinex-Küchenmaschine, die schon seit Jahrzehnten im Besitz der Familie war“, erinnert sich Eisenwiener. Die Maschine sei sonntags zum Klöße machen benutzt worden und habe plötzlich nicht mehr funktioniert. „Wir haben die aufgemacht, die Kontakte gesäubert und innen alles komplett saubergemacht.“ Das Gerät tat danach wieder seinen Dienst, weiß der Fachmann. „Und die Frau war überglücklich.“
Viele Reparaturen könnten nicht mehr so einfach zu Hause und von Laien durchgeführt werden, kritisiert Eisenwiener: „Manche Hersteller sind sehr spitzfindig, was Reparaturen angeht. Die erschweren Reparaturen geradezu, zum Beispiel durch bestimmte Schrauben, die man mit normalen Werkzeug gar nicht aufbekommt.“ Sein Kollege Friedhold Göhring stimmt ihm zu. Göhring ist Radio- und Fernsehtechniker und hat bis zu seinem Ruhestand für die Coburger Bildstelle Radiorekorder, Filmgeräte, Diaprojektoren, Beamer und Bildschirme an Schulen gewartet. Sein Spezialgebiet sind alte Röhrenradios. Er weiß: „Einige Bauteile werden von den Herstellern so positioniert, dass sie bei Inbetriebnahme des Geräts großer Wärmeentwicklung ausgesetzt werden und das verringert die Lebensdauer“, moniert er. „Solche Bauteile gibt es in allen Geräten, die könnte man auch woanders platzieren.“ Er zeigt einige Elektrolytkondensatoren: „Das sind solche Teile.“ Als Negativbeispiel nennt der Experte Flachbildschirme: „Da hatte ich schon mehrere Fälle.“ Das sei genau die Strategie, die ihm „gegen den Strich“ gehe, sagt Göhring. „Wir verbrauchen Ressourcen und produzieren unnötig Müll.“ Früher seien die Sachen für die Ewigkeit gebaut worden. „Wenn Sie Pech haben, kann der Fachhandel nicht einmal mehr innerhalb der Garantiezeit reparieren, weil vom Hersteller keine Ersatzteile mehr zur Verfügung gestellt werden.“
Gibt es also eine Art gewollte Obsoleszenz? „Es gibt ja viele Studien darüber, zum Beispiel ob Hersteller Drucker, die ja einen eingebauten Zähler haben, nach einer bestimmten Anzahl von Druckvorgängen absichtlich kaputt gehen lassen“, sagt Eisenwiener. Beweise dafür gäbe es nicht. Er persönlich habe aber schon den Eindruck, dass bestimmte Geräte nach dem Ablauf der Garantie ganz gern ihren Geist aufgeben. Das findet auch Göhring: „Da werden billige Bauteile verbaut.“ Nachweisen könne man das natürlich niemanden. „Aber es gibt Bauteile, die qualitativ wesentlich mehr aushalten. Die kosten halt mehr.“, sagt er.
Am heutigen Samstag haben sich elf Kunden angemeldet. Sie kommen nicht nur aus Coburg, sondern aus dem ganzen Landkreis und sogar aus Sonneberg. Mit dabei haben sie ein Tonbandgerät, ein Diktiergerät, Staubsauger, Lichterbogen, Bügeleisen, CD-Player, Lampen und eine Stereoanlage. Ein alter Elektrolux-Staubsauger hat sich im Einsatz mit einem lauten Knall verabschiedet. „Der ist bestimmt schon an die 30 Jahre alt“, schätzt Eisenwiener, „aber zu schade zum Wegwerfen.“ Der 51-Jährige hat den Defekt schnell gefunden. Auf der Platine hat sich ein Bauteil verabschiedet. „Das ist einfach ein Teil, das altert“, sagt der Fachmann. Das Teil, dessen Wert bei unter zwei Euro liegt, ist im Internet schnell bestellt. Vorsorglich ordert Eisenwiener für sich gleich ein paar Ersatzteile mit. „Die nehme ich auf Vorrat“, sagt er, „die werden immer benötigt.“ Der Kunde darf also im Februar gleich noch einmal kommen. Dann ist der Ersatz da, wird eingebaut und der Staubsauger kann wieder in Betrieb genommen werden.
Jörg Werner kommt aus Dörfles-Esbach. Er war schon mehrmals im Repaircafé und schätzt, was Eisenwiener und seine ehrenamtlichen Mitstreiter leisten. „Mir hat das immer gefehlt hier in Coburg“, sagt er. „Es muss ja nicht sein, dass man die technischen Geräte einfach wegwirft.“ Doch der Umdenkungsprozess in der Bevölkerung sei von den Herstellern wohl nicht gewollt, vermutet er. „Die Wirtschaft schwemmt ständig neue Produkte auf den Markt.“
Welche Auswirkungen auf die Umwelt der Verbrauch wertvoller Ressourcen oder die Entsorgung der Produkte hätten, interessiere kaum jemanden. Eine Art staatlicher Evaluierungsstelle, die Verbrauchern genau darüber Auskunft geben könnte, wünsche er sich. „Die Geräte waren früher so robust, die halten noch 100 Jahre“, sagt er, „während heute ein kleiner Defekt so ist, dass man ihn gar nicht mehr beheben kann, ohne zum Beispiel die ganze Platine austauschen zu müssen.“
Werner hat einen Walkman dabei, bei dem der Hersteller die Schrauben irgendwie verklebt oder so angeklickt habe, dass sie für ihn nicht zu öffnen seien. Für den Laien ein Fall für die Tonne, für Friedhold Göhring ein verzwickter, aber lösbarer Fall. „Das ist schon eines der komplizierteren Geräte“, sagt er. „Die Instrumentenbeleuchtung geht nicht mehr. Vermutlich müssen wir das Laufwerk ausbauen. Das dauert länger.“
Sven Sauer ist gelernter Orthopädiemechaniker und technisch durchaus interessiert, wie er sagt. Er hat ein umfassendes Ersatzteillager zu Hause. Er kann auf Gummiringe für Kassetten- und Tonbandgeräte, Birnchen, Dreh- und Kippschalter jeder Art zurückgreifen. „Bei vielen Produkten, die hier ankommen, kann man sich durch Aufschrauben langsam an den Fehler herantasten“, erklärt der Ehrenamtliche. Er hilft einer Kundin bei ihrer Weihnachtsdekoration, einem historischen Schwippbogen. „Mir sind die Birnchen immer durchgebrannt“, sagt die Besitzerin. „Ich habe neue reingekauft und es ist wieder passiert.“ Sauer, der jahrelang Haushaltsauflösungen gemacht hat, weiß Bescheid: „Der Schwippbogen ist über vierzig Jahre alt und älter“, erklärt er, „und stammt aus der ehemaligen DDR.“ Ab und an komme er noch an solche Sachen. Vorsorglich hat er sich ein Birnchen eingesteckt. Für die Kundin besteht also Hoffnung. Auch sie darf im Februar wiederkommen.
Carmencita Hartwig begutachtet mit Joachim Wenzel ihre defekte Kabeltrommel. „Die mechanische Aufrollautomatik funktioniert nicht mehr“, bedauert sie, „die war sehr praktisch.“ Joachim Wenzel ist gelernter Bauschlosser, arbeitete als Maurer und Schreiner und montierte Aufzüge.
„Ich habe mich schon immer für Technik interessiert“, sagt er. Schon als Kind habe er vom Sperrmüll alte Radios und Tonbandgeräte mitgebracht und sich gesagt: „Da guck ich mal nei.“ Jetzt im Rentenalter repariert er alte Röhrenradios und steht als Ehrenamtlicher im Repaircafé mit Rat und Tat zur Seite. „Die Mechanik wird nicht mehr zu reparieren sein“, erklärt er, „ohne den Sicherungsring zu zerstören.“ Der werde vom Hersteller als letzter Produktionsschritt eingeklickt und könne später nicht mehr geöffnet werden. „Das ist ein Wegwerfgerät“, erklärt er seiner Kundin. Carmencita Hartwig findet das „einfach ärgerlich“. Gemeinsam beschließen die beiden, die Feder der Aufrollautomatik einfach abzuschneiden und die Kabeltrommel wieder sachgerecht zu verschließen. „Das Gerät ist ja trotzdem noch zu verwenden“, sagt Carmencita Hartwig, „dann rolle ich das Kabel halt künftig mit der Hand auf.“
Das Repaircafè ist jeden letzten Samstag im Monat von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Anmeldungen nimmt das AWO-Mehrgenerationenhaus in Coburg am Bürglaß unter der Telefonnummer 09561/94415 entgegen. Weitere Informationen finden sich im Internet unter www.repaircafe-coburg.de.
Text und Fotos: Katja Nauer