Mit dem neuen Schalthaus in Coburg-Neuses ist schon das zweite neue Gebäude der SÜC in dieser Ausgabe abgebildet. Momentan wird seitens der SÜC viel in die eigene Infrastruktur investiert.
Der Grund für den Neubau ist schnell erklärt. Das alte Schalthaus der SÜC Energie und H2O GmbH Coburg war in die Jahre gekommen. Gebaut wurde das Gebäude vor über einem halben Jahrhundert in den 50iger Jahren und konnte nicht mehr mit den heutigen Standards mithalten. In Zeiten fließender Energie bedurfte es eines neuen Gebäudes, welches diese Standards nicht nur erfüllt, sondern auch für die Zukunft gerüstet ist. Das neue Schalthaus in Coburg-Neuses geht dabei einen wichtigen Schritt in Richtung einer nachhaltigen Energiezukunft für die Region. Die Entscheidung für den Neubau basiert auf dem klaren Ziel, nachhaltige Elektrizität zu gewinnen und zu fördern. An drei Leistungstransformatoren wird der Strom vom Umspannwerk Coburg der Bayernwerk AG in das Netz eingespeist bzw. rückgespeist, sofern Überschüsse entstehen. In den letzten Jahren verzeichnen die Coburger Stadtwerke in ihrem Netzgebiet einen rasanten Anstieg an Photovoltaikanlagen. Durch diesen Netzausbau mit zunehmender Einspeisung der Energie aus den erneuerbaren Quellen steigt die Kurzschlussleistung im vorgelagerten 110 kV-Netz. Dementsprechend muss auch die 20 kV-Schaltanlage ausgelegt sein. Das moderne Schalthaus ist darauf ausgelegt, neueste Technologien und Standards zu integrieren, um eine effiziente Energieverteilung zu gewährleisten und gleichzeitig die Umweltauswirkungen zu minimieren.
Wir treffen uns mit Nico Seidel, der federführend dieses Projekt begleitete und maßgeblich an der Planung und der späteren Umsetzung beteiligt war. Der gerade einmal 30 jährige Coburger hat seine berufliche Laufbahn bei der SÜC begonnen, von 2010 bis 2014 hat er seine Lehre als Elektriker absolviert. Danach holte er sein Fachabitur nach und studierte 2015 Technische Physik in Coburg mit dem Abschluss als Bachelor of Engineering, Fachrichtung Physikingenieurwesen. Ganze 10 Millionen Euro hat die SÜC für das Projekt in die Hand genommen und dabei viel erreicht. Von der Planung 2020 bis hin zum Bau und der Inbetriebnahme hat es gerade einmal drei Jahre gedauert. Für ein Projekt diesen Ausmaßes ist das eine außerordentliche Leistung. Auch Corona hatte hier seine Spuren hinterlassen. Ursprünglich nicht angedacht, wurden hier gleich mehrere Büroräume errichtet, für den Fall, dass es einmal zu Ausfällen oder Ausbrüchen von Corona kommt. So hätte man immer einen sicheren Ort für die Mitarbeiter geschaffen, sich um das Schalthaus zu kümmern. Durch diese bauliche Maßnahme ist im ersten Obergeschoß zusätzlich ein großer Raum entstanden der für Tagungen und Schulungen genutzt werden kann. Nach einer kurzen Einführung führt uns der Weg direkt in die Schaltanlage 1. Der Zugang führt über abgesicherte Stahltüren die nur autorisierte Mitarbeiter öffnen können. Dann stehen wir mittendrin. Gang für Gang reihen sich meterhohe Schaltanlagen aneinander, die feinsäuberlich beschriftet sind und namentlich immer wieder ganze Stadtbezirke bezeichnen. Sofort fällt uns der Kasten für den "Neubau des Krankenhauses" auf. "Naja, wir haben schon einmal vorsorglich ein Kabel gezogen als sich die Möglichkeit dazu ergeben hat", gibt er uns zu verstehen, denn man muss wissen, wenn solche großen Anschlüße anstehen, muss immer die Straße geöffnet werden, um Kabel zu verlegen. Aus diesem Grund werden in Coburg regelmäßig vorausschauend meterlange Leerrohre verlegt. Allein der Weg von der Friedrich-Rückert-Straße zum Schalthaus ist mit etlichen Leerrohren versehen, um nicht immer wieder Tiebauarbeiten anstehen zu lassen.
Interessiert versuchen wir den Ausführungen von Nico Seidel zu folgen. Mit großer Geduld versucht er immer wieder einfache Worte für hochkomplexe Vorgänge zu finden. Einfach gesagt kommt der Strom im großen Umspannwerk der Tennet in Redwitz mit einer Spannung von 380 kV, also Kilovolt, an. Dort wird er auf 110 kV heruntertrans-formiert und vom Bayernwerk weiterverteilt. Der Weg führt dann mit großen Überlandleitungen nach Neuses und wird hier von den großen Transformatoren, die man auch von der Straße gut sehen kann, auf 20 kV heruntergebrochen. Im Schalthaus erfolgt dann die Weiterverteilung in das gesamte Versorgungsgebiet der SÜC. Über weitere Trafostationen und Stromverteilerkästen landen in unserem normalen Hausanschlusskasten dann 230 Volt. Ganz ungefährlich ist es hier nicht und es gelten die 5 Regeln die jeder Elektriker an seinem ersten Tag verinnerlichen sollte. Auf einer großen Tafel sind diese noch einmal dokumentiert. Bei luftisolierten Anlagen gilt ein Sicherheitsabstand von 22 cm. In Neuses sind allerdings gasisolierte Schaltanlagen verbaut, wodurch kompakter gebaut werden konnte. Wenn man den Sicherheitsabstand von 3,80 Meter zu den Leitungen im großen Umspannwerk in Redwitz zu Grunde legt, kann man sich vorstellen welche immense Energie hier unterwegs ist.
Ein Team von 10 Mitarbeitern kümmert sich darum, dass hier in Neuses alles glatt läuft. Insgesamt beschäftigt die SÜC ca. 50 Monteure, die in verschiedenen Bereichen wie Schaltanlagen spezialisiert sind.
Die umsorgten Gebiete der SÜC gehen im Übrigen sogar noch viel weiter als nur im Coburger Umkreis. So verläuft das gesamte Stromnetz der SÜC von Trappstadt, Heldburg über Meeder, Mirsdorf, Ahlstadt, Tremersdorf und von Mitwitz bis nach Großheirath und weiter. Zuletzt wurden Seßlach 2012 und Heldburg 2014 an das Netz angeschlossen. n
"ich bin da, um die Stromversorgung sicherzustellen" Nico Seidel
Sollte es mal zu Problemen kommen, kann man diese schnell und überlegt angehen. Die beiden Schaltanlagen in Neuses sind per Glasfaser mit der Netzleitstelle der Städtischen Werke Überlandwerke Coburg verbunden, die Tag und Nacht im Schichtdienst besetzt ist. Jede Störung, die dort eingeht, wird von den Mitarbeitern vor Ort so schnell wie möglich bearbeitet.
Ist das Problem gemeldet, rücken die Kollegen aus. Am Ort des Geschehens angekommen, beginnen diese mit der Ursachenfindung. Unterstützend hierbei haben sie spezielle Messwagen, die bei der Problemsuche helfen.
In der Niederspannung sind es häufig Installationsfehler beim Kunden und in Folge dessen ein Auslösen der Hausanschlusssicherung. Manchmal kann es aber auch vorkommen, dass bei Bauarbeiten versehentlich ein Kabel der Nieder- oder Mittelspannung beschädigt wird. Wurde das Problem lokalisiert, so wird es meist ebenso rasch behoben, wie es gemeldet wurde.
Damit solche Ereignisse unbequeme Einzelfälle bleiben, arbeitet das Schalthaus nach dem europäisch weiten N-1-Prinzip, bei dem eine Stromleitung ausfallen kann, aber ein bestimmter Bereich trotzdem weiterhin mit dem nötigen Strom versorgt wird. Das „N“ steht in dem Fall für das Stromnetz, jederzeit den Ausfall einer Leitung, also -1 auffangen können muss, ohne es zu weitreichenden Stromausfällen kommt. Für die Umsetzung und Prüfung sind die Übertragungsnetzbetreiber zuständig. In Deutschland haben wir vier ÜNB´s. TenneT ist zum Beispiel für die Regelzone in Coburg zuständig.
Das Übertragungsnetz kann mit den Autobahnen der Stromversorgung verglichen werden: Es verbindet die Regionen Europas und Deutschlands miteinander, nimmt große Mengen elektrischer Energie aus großen Erzeugungsanlagen auf und transportiert sie über weite Strecken.
Zum Thema Stromausfall schreibt die SÜC Energie und H2O GmbH Coburg auf Ihrer Website: „Grundsätzlich ist in Bayern die Stromversorgung bisher auch im deutschlandweiten Vergleich besonders zuverlässig. Und sie ist in den vergangenen Jahren trotz des immer höheren Anteils von schwankender Erzeugung aus Wind- und Sonnenenergie sogar noch zuverlässiger geworden. Im Jahr 2020 fiel in Bayern durchschnittlich 8,64 Minuten lang der Strom aus. Das ist der niedrigste Wert seit 2008. Im Netz der SÜC lag der Wert für 2021 bei nur 5,2 Minuten.“ Diesen Wert konnten die SÜC 2022 nochmals senken auf 4,47 Minuten.
Was ist aber, wenn es doch mal zum unwahrscheinlichen Fall eines Blackouts kommt? Auch dafür steht ein Plan zur Verfügung. Sollte das Netz wegbrechen, versorgt eine Unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV), das ist ein Batteriespeicher, der das Schalthaus für mindestens drei Stunden mit Strom versorgt. Steht fest, dass ein langsamer Start des Stromnetzes wieder möglich ist, folgt der Schwarzstart. Als Schwarzstart bezeichnet man das Hochfahren eines Kraftwerks ohne Stromnetz. Die Schwarzstartfähigkeit beschreibt die Möglichkeit eines Kraftwerks, vom abgeschalteten Zustand unabhängig vom Stromnetz wieder hochzufahren. Nach und nach werden hierbei zuerst die wichtigsten Gebäude wie beispielsweise Krankenhäuser mit Strom beliefert.
Insgesamt hat sich das ganze Stromnetz enorm verändert. Nehmen wir das Jahr 1960 als Beispiel, seitdem wurde das Stromnetz im Vergleich zu heute erheblich erweitert. In der Vergangenheit erfolgte die Verlegung der Stromleitungen in der Innenstadt hauptsächlich über Freileitungen. Im Laufe der Jahre wurde jedoch alles auf verkabelte Systeme umgestellt. Mit dem gestiegenen Strombedarf, insbesondere aufgrund von Unternehmen wie HUK, Brose, Kaeser und Lasco, die mittlerweile mehr Maschinen betreiben, müssen sich die Verantwortlichen verstärkt um die Einspeisungen kümmern, um die wachsende Nachfrage effizient zu bewältigen
Heute ist die SÜC auch bundesweit Vorreiter in Sachen E-Mobilität. Im gesamten Stadtgebiet werden nach und nach Elektroladesäulen errichtet. Unterstrichen wird das Bekenntnis zur E-Mobilität unter anderem durch die 2021 gebaute „E-Tankstelle mit Komfort“ in der Wassergasse 17. Damit liegen sie klar im Trend. „Daran kommt man heute nicht mehr vorbei“, betont Nico Seidel und macht deutlich, wie wichtig der Umstieg auf Ökostrom ist. „Energiewende heißt nicht nur regenerativ bauen, sondern auch Energie sinnvoll nutzen“. Und das tut die SÜC mit gutem Gewissen.
Übrigens: Da das eingangs erwähnte alte Schalthaus nicht mehr benötigt wird, wird es in den nächsten Monaten abgerissen, um Platz für einen modernen Energiepark zu schaffen. Der geplante Energiepark soll sowohl Wasserstoffspeicher als auch Anlagen zur Wasserstofferzeugung und Batteriespeicherung umfassen.Vor zwei Jahren hat der Stadtrat dazu den Beschluss gefasst, dass sich Coburg an dem Prestigeprojekt „Wasserstoff als Zukunftstechnologie“ des Bundes-ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beteiligt. Die Energie-wende ist mit dem Schalthaus sicher nicht zu Ende, sie hat gerade erst begonnen.