Page 70 - MOHR Stadtillu - Ausgabe 244
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ES LÄUFT GERADE ETWAS GEWALTIG SCHIEF IM APOTHEKENSYSTEM
SPARPOLITIK
UND GRUNDVERSORGUNG
PASST NICHT ZUSAMMEN!
EIGENTLICH STEHT IN DIESEM JAHR DAS 30JÄHRIGE BESTEHEN DER SCHEUERFELD APOTHEKE AUF DER AGENDA. TROTZDEM WILL DERZEIT ALS APOTHEKER KEINE SO RECHTE FREUDE BEI DER ARBEIT AUFKOMMEN. DAS ZIEL DIE BEVÖLKERUNG DES STADTTEILS MIT MEDIKAMENTEN ZU VERSORGEN, STEHT IM ALLTAG OFTMALS UND LEIDER IMMER ÖFTER UNTER EINEM SCHWIERIGEN STERN. ALLES JAMMERN AUF HOHEM NIVEAU? WIR KOMMEN MIT DEM APOTHEKER INS GESPRÄCH UND SIND DOCH EINIGERMASSEN ÜBERRRASCHT, WAS WIRKLICH HINTER DEN KULISSEN ABGEHT.
mer schwieriger. Fahrtstrecken von 50 km hin und 50 km zurück könnten unabwendbar werden.
Es kommt also schon zu akuten Engpäs- sen?
Der Mangel an „Fiebersäften“ und Antibioti- kasäften im Winterhalbjahr ist bekannt.
Wir haben sogar eine Anfrage aus Frankfurt/ Main erhalten für einen Antibiotikasaft, von dem wir noch eine Flasche vorrätig hatten.
Wie kommt es überhaupt zu dieser Situati- on?
Die Ausschreibung gesetzlicher Krankenkas- sen für einzelne Wirkstoffe und der Abschluß mit einem oder maximal bis zu 3 Pharmaher- steller führt bei Ausfall des Wirkstofflieferan- ten zum Engpaß. Andere Hersteller können nicht innerhalb kurzer Zeit einspringen. Die Vorlaufzeiten betragen von 1⁄2 bis zu 1 Jahr.
Bei starken Preissteigerungen der Ausgangs- stoffe wird der Pharmahersteller nicht liefern
Die Apotheke Scheuerfeld hilft mit 4 phar- mazeutischen Fachkräften oft da wo der Arzt noch nicht gebraucht wird und die Apotheke die Grundversorgung der Bevölkerung si- cherstellt, aber auch das Risiko bei kostenin- tensiven und verschreibungspflichtigen Me- dikamenten trägt der Apotheker. Der Ertrag dabei ist überschaubar, weil er durch das Gesetz gedeckelt ist, die Kosten allerdings steigen. Die nicht von der Hand zu weisende Inflation setzt auch den Apotheken bei den Kosten zu. Seit 2015 führt der gebürtige Stuttgarter die Apotheke Scheuerfeld.
Was läuft derzeit schief im System mit den Apotheken?
Seit der Umstellung der Preisverordung für
verschreibungspflichtige Arzneimittel im Jahr 2004 wurde der Verdienstaufschlag nicht mehr an die gestiegene Inflationsrate ange- passt.
Wie kann man sich das vorstellen?
Die Anzahl der Apotheken geht vorallem da- durch immer schneller zurück und wird ab- sehbar die flächendeckende Versorgung nicht mehr sicher stellen können.
Ist die Grundversorgung mit Medikamen- ten tatsächlich gefährdet?
Die Versorgung wird zusätzlich durch die Ra- battverträge der gesetzlichen Krankenkassen mit der pharmazeutischen Industrie gefähr- det, da diese wegen des Preiswettbewerbs
die Wirkstoffe dann meistens in China und Indien einkauft.
Was bedeutet dies für eine kleinere Apo- theke?
Falls keine Anpassungen erflogen, werden vor allem kleinere und ländliche Apotheken schließen und sich keine Nachfolger finden auch für größere Betriebe.
Ist das nicht Jammern auf hohem Niveau?
Die Apothekendichte pro Einwohner befin- det sich heute schon im unteren Drittel der EU.
Was passiert wenn sich nichts ändert?
Die Sicherstellung der Notdienste wird im-
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- STADTILLU FÜR COBURG, LICHTENFELS & KRONACH