Page 41 - MOHR Stadtillu - Ausgabe 244
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 Der Coburger Rutscher ist die in Coburg typi- sche Variante des rohen oder grünen Kartof- felkloßes, der hier eine sehr weiche Konsis- tenz hat, so dass er auf dem Teller fast zer- fließt. In der Rezeptur ähnelt er den Thürin- ger Klößen, wird aber mit einem etwas höhe- ren Anteil an gekochten Kartoffeln zuberei- tet. Nach Überlieferung eines Coburger Rei- seführers von 1956 soll ein gebratenes “Gö- ckerla mit Rohaklöß” (Hähnchen mit rohen Klößen) das traditionelle Leibgericht der Co- burger Bevölkerung gewesen sein. Selbstver- ständlich passt der Kloß aber auch zu allen anderen Bratengerichten. Vor allem Kinder essen ihn gerne einfach nur mit Soße.
Darüber hinaus kommt dem Coburger Rut- scher wohl das Privileg zu gewissermaßen die Urform des von Thüringen nach Franken eingewanderten Kloßes darzustellen. Aller- dings ist er in der Region noch nicht allzu lan- ge heimisch. Jedenfalls gehört es sicherlich in das Reich der Legende, dass bereits die Eva an der Coburger Stadtpfarrkirche nicht den ikonografisch typischen Apfel, sondern einen Kloß in der Hand hält.
1854 wird dieses Rezept leicht abgewandelt auch im ersten Coburger Kochbuch des Christian Oehm, dem Küchenmeister des Erbprinzen von Sachsen-Coburg erwähnt. Dieser verwendete zum Abbrühen der ausge- pressten Kartoffelmasse einen in Milch ge- kochten Grießbrei und füllte die Masse mit gerösteten Semmelbröckchen. Die Füllung des relativ großen Kloßes mit “Bröckala” oder Semmelwürfeln unterscheidet ihn nämlich vom thüringischen Urrezept. Möglicherweise ist sogar Oehm der Erfinder dieses an sich genialen Küchentricks, durch den die zu ga- rende Teigmasse auf genau die Stärke mini-
miert wurde, um sie locker und flockig ein- fach im Wasser gar ziehen zu lassen.
Als korrekt bei der Zubereitung kann man heutzutage auch die Verwendung eines dün- nen Breis aus gekochten Kartoffeln zum Ab- brühen der Kloßmasse ansehen. Allerdings verwendet man in Coburg nur einen gerin- gen Anteil gekochter Kartoffeln, die durchge- presst und mit dem heißen Kartoffelwasser als dünner Brei angerührt werden. Infolge dessen ist der Coburger Rutscher in der Kon- sistenz deutlich weicher als der z.B. in Bam- berg hergestellte grüne Kloß. Richtig zube- reitet, zerfließt er auf dem Teller und hat al- lenfalls die Form einer Halbkugel. Darauf spielt sicherlich auch der originelle Name an, der das angenehme Gefühl beschreiben soll, wenn ein mit reichlich Bratensoße getränkter Kloß durch den Mund in Richtung Speiseröh- re und Magen “rutscht”.
Wie bei allen Kloßspezialitäten aus Oberfran- ken besteht die Kunst der Zubereitung beim Coburger Rutscher darin, die typische wolli- ge und leicht zerfließende Konsistenz zu er- zielen. Dies verlangt Übung und Erfahrung. Nach Aussage des Coburger Küchenmeisters Christan Oehm soll der Teig ganz locker sein. Diese typische Beschaffenheit unterscheidet den Coburger Rutscher von allen anderen Kloßzubereitungen in Oberfranken, die sich hierzulande erst zu Beginn des 20. Jahrhun- derts als typisches Küchengericht einbürgern konnten, nachdem das herzogliche Coburg 1920 zu Bayern kam.
Der Coburger Rutscher ist also gewisserma- ßen die Urform des fränkischen Kloßes und kann seine thüringischen Wurzeln nicht ver- leugnen.
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Der Coburger Rutscher
Literatur: Wolfgang Protzner, Christiane Köglmaier-Horn, Culina frankoniae, Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Nr. 109, Stuttgart 2007 (S. 201 – 215.) Autoren: Genussregion Oberfranken, Foto Martin Bursch; Textbearbeitung Uta Hengelhaupt
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